Die Story

Die Geschichte von ALLIANZ ist vielschichtig. Vor allem ist sie von Beginn an eine Aneinanderreihung von vielen glücklichen Zufällen. So sehr, dass es im Nachhinein nahezu so aussieht als wäre das alles doch kein Zufall.

Formiert 1980 in einer allerersten Besetzung, bestehend aus Joachim Verwick, Gitarre, Günni W., Bass, Wolfgang Goede, Drums und Holger Kalvelage, Gesang als ein Zufallsprodukt eher lockerer Bekanntschaften aus dem damals renommierten Club Eule in Münster. 

Entsprechend der zufälligen Zusammensetzung mit teilweise sehr kontrastierenden Vorstellungen über den gewünschten musikalischen Stil und der weit differierenden Einschätzungen der musikalischen Qualität der Mitglieder kam es recht schnell zu ersten Erschütterungen. Jeder, der schon einmal mit oder in einer Band im Probenraum an einer gemeinsamen Idee gearbeitet hat, kennt das. Und die „Tribunale“ die daraus manchmal entstehen. 

So wäre Holger Kalvelage nach wenigen Wochen beinahe draussen gewesen, weil „er ja keinen einzigen Ton treffen, geschweige denn halten kann“. „Drum Machine“ Wolfgang und der Sequenzer hatten Synchronisationsprobleme im Rhythmus und Joachim „musste“ jedem Stück sein Gitarrensolo aufdrücken. Günni hatte am Bass einen komplett anderen Sound im Kopf, was uns angesichts seines damaligen schwarzen Chevy  Camaro mit Feueradler auf der Haube eigentlich schon früher hätte klar sein müssen. Er war dann irgendwann auch so genervt von unseren Post Punk / New Wave Ambitionen, dass man sich früh wieder getrennt hat. 

Dazu stießen aber dann Olaf Kalvelage an den Keyboards, Rico Berg am Bass und zunächst leihweise, später fest als musikalischer Allrounder, Peter Löderbusch, der zeitgleich auch mit der Münsteraner Formation feltmann trommelt schon früh relativ erfolgreich war.  

Als Probenraum nutzten wir, auch „leihweise“, die Örtlichkeiten von feltmann trommelt – ein umgebauter Hühnerstall weit draussen am Schiffahrter Damm, irgendwo in der Einöde hinter Gimbte und Gelmer. 

In diesem trotz „Konkurrenz“ dankenswerterweise überlassenem Incubator kristallisierte sich dann langsam aber sicher eine Band mit einem eigenen Sound und auch entsprechendem Ehrgeiz heraus. Oder besser umgekehrt – großer Ehrgeiz und dann sukzessive ein eigener Sound.

Und wieder kam uns in dieser Anfangsphase der Zufall zu Hilfe. In Form eines leerstehenden Schweinestalls an der Warendorfer Strasse auf dem Hof von Bauer Holtschulte, der uns durch die Überredungskünste von unserer Freundin Andrea Holtschulte für sehr wenig Monatsmiete zur Verfügung stand.

Mit Teppichen auf dem Gülleraster-Betonboden, Eierkartons an den Wänden, einem eigenen Studiovorraum und einem kleinen Ölofen entstand so der endgültige Probenraum als Heimat für ALLIANZ bis zum vorläufigen Ende der Band 1984. Keine Nachbarn, Tag und Nacht nutzbar und in den Outskirts von Münster – alles in allem nahezu ideal. 

Und hier entstand dann sukzessive ein Live Programm von ca. 15 – 20 Songs, das wir in Konzerten in und um Münster, bis zum vorläufigen Schluss mit einer gehörigen Portion Stagefright, zum Besten gaben. Highlights für uns waren dabei sicher ein Abend im Kino und Club Jovel, damals noch unter Steffi Stephans Ägide an der Weseler Straße und ein Auftritt im Odeon. Angesichts der Bands, die sonst diese Venues frequentierten und die wir bestaunten, war es für uns mehr als nur eine Feuertaufe. Ob es das Publikum damals auch als Highlight empfunden hat, müssen andere beantworten. Voll war es allemal. 

Peter, Holger und Wolfgang live 1982

Nach unzähligen im Probenraum entstandenen, live eingespielten und dementsprechend gräßlich abgestimmten Tapes, entschlossen wir uns für die Akquise weiterer Auftritte, aber auch für unser Ego, professionelle(re) Aufnahmen zu machen. 

Studio der Wahl war damals das renommierte Tonstudio Greven von Siggi Mertens und Peter Pässler. Bewaffnet mit unserem Equipment – inkl. 2 Ölfässern – in einem geliehenen Transporter rollten wir dort ein und spielten an einem Tag (für mehr Studiozeit reichte das Geld nicht) 5 Stücke ein:  „Maschinen“, „Blaues Licht“, „Mit dem Tod getanzt“, „July is over“ und „Mann von Welt“.  Das Ergebnis ist hier zu hören und steht für den damals typischen ALLIANZ Stil. 

Um diesen Stil zu beschreiben, möchte ich mich selbst von der bekannten Website von Adam Riese „Was macht eigentlich…“ zitieren:

„Die Stilrichtung war sicher geprägt von englischen Formationen der Zeit, an erster Stelle Human League. Kritiker sprachen in einem späteren Stadium allerdings (unwissend?) ein Höchstlob aus, indem sie ALLIANZ mit Can verglichen. Zuviel der Ehre, aber stilistisch nicht ganz falsch. Was sollte auch sonst rauskommen, wenn man Human LeagueSisters of Mercy und D.A.F. versucht musikalisch zu kreuzen!
Songtitel wie Blaues LichtBecause… oder 150 gr. Gebäckmischung (ein Spätwerk)  beschreiben die traumwandlerische, wenn auch ungewollte Sicherheit der Formation, keinen eindeutigen Stil zu haben.“

Aus heutiger Sicht lässt sich sicher sagen, dass wir eben einfach Kids unserer Zeit waren. Etwas zu laut, etwas zu raw, etwas zu „deutsche Welle“.

Aber prägend, wiedererkennbar anders. So sehr, dass als es einen Münster Sampler geben sollte, ALLIANZ im line up nicht fehlen durfte. 

Und so bekamen wir für diese erste und einzige Vinylpräsenz von ALLIANZ unsere zweite Studiozeit in Greven. Und nahmen an einem Tag eines unserer wenigen Stücke in englischer Sprache auf: „No more fascination“. So sehr der Song damals mit heißer Nadel gestrickt war – Rico und ich haben noch am morgen der Studioaufnahmen an den Gesangsparts und dem Text gebastelt – so sehr ist er bis heute das qualitative Highlight im Schaffen der ersten ALLIANZ Formation. Soundmäßig waren wir erwachsener geworden, musikalisch sicherer- alle Voraussetzungen waren gegeben, um den nächsten Schritt in Richtung Professionaltät zu gehen. Wie schrieb ein Kritiker vor kurzem erst auf Facebook:

„Die waren mit ihrem Sound der Szene Münsters weit voraus – das klang mehr nach Berlin. Wären sie von da gekommen, hätte sich die Musikindustrie auf sie gestürzt. Wie gesagt: Ganz weit vorne – aber in der falschen Stadt. 

In Münster hat sich ein weitgehend ähnlicher Sound erst Jahre später in der Musikerszene breitgemacht, als andere dann versuchten, so zu klingen wie Bands aus Berlin. Mehr schlecht als recht. Aber es bleibt Euch.

Denn es war gut.“

Auf diesem Weg nochmal „danke für die Blumen“. Und hier könnt Ihr No more fascination in der damals entstandenen Version hören.

Aber es kam anders, weil ich und andere Bandmitglieder studientechnisch und beruflich über die Welt zerstreut wurden. Und so schien es so, dass ALLIANZ nicht mehr als eine Erinnerung an 4 coole Jahre Anfang der 80er Jahre für uns bleiben sollte.

Aber wie einleitend geschrieben, die Anzahl der glücklichen Zufälle rund um ALLIANZ war (doch) noch nicht zu Ende. 

Über losen Kontakt auf Facebook hatten 4 der ALLIANZ Mitglieder, Wolfgang, Peter, Holger und Rico immer mit dem Gedanken gespielt: „Man müsste mal…!“

Getriggert durch Wolfgangs Video Aktivitäten unter Verwendung alter ALLIANZ Songs, begleitet durch meine Wiederkehr nach Münster der Liebe wegen und dank dem glücklichen Zufall, dass Peter sich über die Jahre ein kleines Tonstudio eingerichtet hatte und mit den heutigen Aufnahmemöglichkeiten per Du ist, wurde aus einer fixen Idee ein Projekt. ALLIANZ 2.0.

Etwas ruhiger, etwas versierter, etwas professioneller. Aber immer noch ALLIANZ, nur eben 2.0

Versteht sich, dass ob des fortgeschrittenen Alters der Bandmitglieder alles etwas anders anfühlt, weniger spinnert. Aber mindestens genauso ambitioniert, was wir auch an den immer noch unvermeidlichen Auseinandersetzungen über Sound und Stil erleben. Die sind ruhiger als früher, argumentativer, aber sicher nicht weniger konfrontativ, um nicht zu sagen altersstörrisch.  Das Ergebnis? Hört selbst – hier findet ihr Songs der ALLIANZ 2.0. Und kommentiert gerne und viel, was Ihr davon haltet.

Holger Kalvelage im August 2021